Videoberatung im Closed Loop

Daniel P. Schmidt
5 min readMar 11, 2018

In loser Folge schauen wir in diesen Folgen in die Welt der Customer Experience. Themen rund um die Kundeninteraktion werden behandelt, etablierte und sich am Horizont abzeichnende.

Videoberatung — lange propagiert, langsam Fahrt aufnehmend.

Mit der fortschreitenden Integration von Mikrofonen und Kameras sowie anderen Sensoren in unsere elektronischen Geräte wird entfernte Beratung — sprich über Video — immer mehr zu einer Commodity. Kommt dazu, dass wir mit WLAN und 4G stets so verbunden sein können, dass sich eine leidlich gute Verbindung aufsetzen lässt. Ob zu Hause, unterwegs oder an POI gebundene Beratungsterminals — Videoberatung zeigt eindrücklich, wie Menschen miteinander bestens kommunizieren. Am Ende kommt es doch darauf an, dass

  • wir eine persönliche Beratung mit einem menschlichen Gegenüber haben können
  • wir bei kritischen Situationen in die Augen sehen können
  • auf Fragen direkt und persönliche eingegangen werden kann.

Bots, Blobs und Beratung

Sicher, auch spannend sind Bots, also die elektronisch angenäherte Version eines persönlichen Beraters, der aus einer Vielzahl von Informationen die für meine Frage relevante extrahiert und mir entsprechend aufbereiten kann (Experten vergeben mir diese händisch ‘Definition’). Entweder rein probalistisch oder dann — wie könnte es anders sein — mit KI (künstlicher Intelligenz) angereicherte Systeme, die mehr oder minder selbstlernend und selbstkategorisierend Lösungen anbieten. Bots bieten mehr breites als tiefes Wissen — bedingt durch ‘Ontologien’ der Wissensaufbereitung (ausser man hat grad eine ganze Rechnerfarm zur Verfügung…). Noch sind Bots jedoch auf textuelle Nachrichten limitiert. Komplexe, ‘multimediale’ Dateien können noch nicht genügend tief analysiert oder synthetisiert werden. Das heisst, alle anderen Medien/Kanäle sind vernachlässigt. Das heisst, die Sensoren und Affektoren sind für Bots klar definiert und eingeschränkt. Gerade das ist jedoch für eine erfolgreiche Kundenberatung wichtig: Sehen, Analysieren, Deduzieren, Eingehen, Reagieren und Agieren. Bots können das nicht*. Das kann sich in Zukunft ändern — dazu mehr in einem nächsten Post.

Beratung (nicht nur) über Video ist anders, bezweckt, bewirkt etwas anderes. Mit Videoberatung sehe ich mein Gegenüber wie real, sehe Mimik, höre Stimm- und Tonlagen, kann also echt interagieren. Gerade deshalb sind es wohl auch Unternehmen, welche sich für Videoberatung entscheiden, die auf eine hohe persönliche Note zählen. “Näher beim Kunden” zu sein, bedeutet dann, dort zu sein, wo, wann, wie der Kunde mit mir in Dialog treten will.

Echtes Multimedia

Heutige Lösungen lassen es zu, dass im Videokanal zusätzliche Medien angeboten werden können.

  • Audio: reiner Audiokanal oder zusätzlich mit Video
  • Chat: Textueller Austausch von Personen, unterstützt von Bots/KI oder dann mit Einbezug von Textbausteinen
  • Share: …is still caring ;-) — über das Videosignal werden Dokumente vom Experten an den Endkunden übertragen. Dabei kann der Experte z.b. bei Formularen dieses für den Endkunden zur Bearbeitung freigeben.
  • Support: vom Kunden wird der Screen übertragen, und der Experte kann dann direkt interaktiv unterstützen.
  • Blended: Vermischung von Präsentationsmodus und Dokumentshare-Modus so, dass der Endkunde informiert und beraten werden kann.
  • Focus: Ansteuerung anderer Kamerapositionen so, dass z.b. bei phyischen Objekten Details gezeigt werden können. Dabei erlaubt die Software die Steuerung von mehreren Kameras.
  • ID: mittels Identifikation kann der Anrufer rechtlich genügend authorisiert und authentifiziert werden. Entweder mit einer entsprechenden Karte (ID, Pass…) oder mittels VoiceBiometrie oder Gesichtserkennung.
  • und weitere.

Diese Medien erlauben es, dass Kunden und Berater interaktiv miteinander über diverse Geschäfte sich besprechen.

Diverse Anwendungmöglichkeiten

Generell lassen sich Videoberatungen unterscheiden in

  • eins-zu-eins-Beratung: eine Beratung eines Endkunden mit dem Experten einer Firma. Dabei geht es darum, den Endkunden persönlich zu beraten durch einen Experten. Produktdemonstrationen, Erläuterungen, Hilfestellungen sowie ganz einfach Beratung zu diversen Themen.
  • Konferenzen: auf beiden Seiten können sich diverse Personen austauschen zu einem Thema.
  • Mehrpersonen-Beratung: auf Kundenseite eine Person, auf der Beraterseite entweder seriell oder parallel mehrere Personen. Spannend dann, wenn z.b. ein Berater einer Bank nicht alle Produkte kennt, sondern bei Bedarf andere Experten hinzuziehen kann.

Die Anwendungsmöglichkeiten für Videoberatung sind vielfältig:

  • bei einer bestehenden, offline-Präsenz z.b. in Filialen lassen sich diese entsprechend ausrüsten so, dass Kunden von profitieren können von
    a) verlängerten Öffnungszeiten: mittels Videoempfang in Fililale, die von einem zentralen Ort her stattfindet, können Kunden länger beraten und empfangen werden.
    b) persönliche Beratung: in der Filiale oder einem Popup-Store gibt es die Möglichkeit, in einer 1:1 Beziehung zum Kunden zu treten und zu beraten.
  • ad-Hoc Präsenzen durch PopUp-Stores — hier kann durch die ubiquitäre Technologie dort agiert werden, wo sich die Kunden befinden. Z.B. an Veranstaltungen, in Skigebieten, Ferienorten etc —
  • online durch die Verbindung von Hilfe und Support mit der Videoberatung so, dass der Kunde gerade dort direkte Hilfe erfährt, wo er sich befindet. Dies kann zwei Ausprägungen annehmen:
    a) geplante Beratung: vorab wird ein Termin vereinbart mit einem dedizierten Berater oder -team zu einem Thema
    b) ungeplante, adhoc-Beratung: hier wird bei einem Problem einfach direkt Kontakt aufgenommen. Über die Website oder Mobile.

Technologie

Mit WebRTC ist eine Technologie da, welche es ermöglicht, dass auf allen modernen Browsern Videoberatung ohne Installation durchgeführt werden kann. Einerseits vom Kunden her direkt mit einem Klick und andererseits auch für die Berater in den Firmen. Sicher, dort benötigt es neben einer guten Leitung, die geöffnet ist gegenüber den relevanten Ports, auch noch manchmal die Öffnung der IT gegenüber Chrome, Firefox, Opera usw. — leider unterstützt IE und Apolegeten bisher noch nicht alle Funktionen, die für ein Backend benötigt werden.

WebRTC benötigt je nach eingesetzter Kamera oder Audiotechnik nur eine geringe Bandbreite und ermöglicht es, sogar grossformatige Übertragungen zu realisieren. Zum Beispiel bei den physischen Filialen beim virtuellen Empfang verwendeten wir bis zu 65'’ Bildschirme ohne qualitative Einbussen. Vorausgesetzt, die Kamera ist entsprechend ausgerüstet natürlich.

Für den Berater macht es Sinn, wenn er neben der Grundfunktion weitere einfache Bedienungen erhält für z.B.

  • Teilen von Inhalten
  • geteilte Formulare
  • Kamerasteuerungen
  • Audio-Muting
  • Aufnahme von den Calls
  • und so weiter

Damit erhält er in der Firma ein Werkzeug, welches ihn im täglichen Umgang mit dem Kunden unterstützt. Unsere Empfehlung ist auch hier, nicht zu sparen, sondern gutes Equipment zu verwenden. Der erste Eindruck zählt!

Integration

Mit der Integration von Voice Biometrie für die Authentifizierung und Authorisierung ermöglicht es Videoberatung, einen neuen Sicherheitslevel zu etablieren. Bewegtbilder und das Erkennen der Person einerseits sowie die Unterstützung durch KI für die Spracherkennung sind Sicherheitsmerkmale, die so einmalig sind.

Andere Integrationen sind ebenso möglich — sei es in Contact Center, CRM oder andere Kanäle für die Kommunikation.

Besten Dank für das Interesse.

  • KI Experten werden mir hier widersprechen. Hier meine ich jedoch das echte multimediale Konzept des menschlichen Gesprächs — also mit den subrationalen Prozessen die bei einer menschlichen Kommunikation ablaufen. Auch hier gibt es sicher bereits Modelle für die KI, diese sind jedoch m.E. noch nicht ausgereift.

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